QUANTITATIVES SCHEINERN NACH REHMANN und KERSCHE (Sterne und Weltraum 7/95, S. 560)
(Erläuterungen dazu von M. Felsch)


Vorbemerkung:

Ich schildere hier ein Vorgehen, das bei mir in langer Praxis funktioniert hat.
Den Anspruch, den Artikel von Rehmann/Kersche in allen Einzelheiten korrekt umzusetzen,
erhebe ich nicht, da er bei mir ein paar Unklarheiten hinterliess, die ich für mich in der Praxis pragmatisch gelöst habe, inklusive einiger Vereinfachungen der Prozedur.

Belichtungen auf Mittelformatfilm bis zu 80 Minuten waren so ohne sichtbare Bildfelddrehung möglich. (Im Digitalzeitalter mit Belichtungszeiten von 5 bis 20 Minuten und meist viel kleineren Chips sind die Genauigkeitsansprüche an die Einnordung entschieden geringer... da reicht bei mir regelmässig der Polsucher.)

Es ist empfehlenswert, wenn möglich zunächst per Polsucher die Grob-Justage der Achse vorzunehmen. Ich habe das regelmässig getan.

Es gilt, bei der ganzen Prozedur jeweils deutlich zu unterscheiden zwischen einem Mess-Stern, an dem eine Drift gemessen wird (Schritte 1 u. 3) und einem Korrektur-Stern, an dem die aus der Drift errechnete Korrektur durchgeführt wird (Schritte 2 und 4). Bei der Azimut-Einstellung sind die beiden Sterne aber bei mir identisch.
Verwendet wurde von mir das Microguide Messokular. Zum Einsatz kamen auch eine 2 bis 3fach Barlow und ein Zenitspiegel (Optik war ein Refraktor mit 900 mm Brennweite).


1. Polhöhe, Driftmessung :

Ich peile als Mess-Stern einen Stern etwa im Osten an. Er soll etwa 50° über dem Horizont stehen.
Ich richte mein Messokular so aus, dass die Einheiten-Skala in Nord-Süd-Richtung verläuft.
Ich merke mir schon mal, wo Norden und wo Süden im Okular war...

Dann stelle ich den Stern auf das Fadenkreuz und lasse ihn 10 min laufen. Abweichungen in RA kann ich mit der Steuerung korrigieren.
Danach stelle ich die Drift ("D") in DE fest sowie ihre Richtung. Richtung nicht verwechseln!
Masseinheit sind die Skalenteile des Microguide. Da es nur um Relativbeträge geht, ist eine Überlegung wegen der absoluten Grössen überflüssig.

Jetzt errechne ich aus der Drift den Korrekturbetrag. Die Formel ist (bei 10 min Messzeit):
Korrekturbetrag = 22,86 x D.
Einheiten sind natürlich ebenfalls die Skalenteile des Microguide.

2. Polhöhe, Korrektur:

Nun kommt die Polhöhen-Korrektur, sie wird an einem Korrektur-Stern im Süden vorgenommen.
Ich peile einen Stern in der Nähe des Meridians an, etwa in Äquator-Höhe (oder in meinem Fall bei 14 Grad DE, s.u.).
Die Skala des Messokulars muss in Nord-Süd-Richtung zeigen (DE).
Die Korrektur soll so erfolgen, dass der Stern auf der Skala sich um die eben errechnete Anzahl von Einheiten verschiebt, und zwar in folgende Richtung:

Bei vorausgegangener Drift nach Norden: Absenken der Achse (auf das Nordende bezogen).
Bei Drift nach Süden: Anheben der Achse.

Welche Richtung welcher Bewegung des Sterns im Messokular entspricht,  muss man kurz probieren... der Zenitspiegel macht es etwas unübersichtlich.
Man stellt also den Stern auf eine passende Position auf der Skala und verdreht  - mit Blick ins Okular -  die Polhöhe an der Montierung, bis der Stern um die richtige Anzahl von Einheiten in die richtige Richtung gewandert ist.

3. Azimut, Driftmessung :

Ich peile als Mess-Stern einen Stern an am Meridian.
In Westfalen, Deutschland, 52 Grad Breite, nehme ich einen mit Deklination 14 Grad (den von der Höhenkorrektur, Grund siehe unten).
Der Stern steht ca. 50 Grad über dem Horizont, was die Wirkung der Refraktion hoffentlich hinreichend neutralisiert.

Wieder lasse ich ihn 10 min laufen und stelle dann die Drift in DE ("D") sowie ihre Richtung fest. Abweichungen in RA kann ich mit der Steuerung korrigieren.

Nun kommt die Errechnung des Korrekturbetrages. Im Prinzip lautet sie (bei 10 min Messzeit):

22,86 x (sin (phi - delta)) / cos phi x D
(phi= geografische Breite des Standortes, delta = DE des Korrektursterns)

Für einen Korrekturstern mit DE 14° (bei 52 Grad nördl. Breite) wird der Term
(sin (phi - delta)) / cos phi
zu 1.

Dadurch wird die Formel zu
22,86 x D

4. Azimut, Korrektur:

Bei Drift nach Norden: Azimutkorrektur im Uhrzeigersinn (von oben betrachtet, Südende der Monti > Westen)
Bei Drift nach Süden:  Gegen Uhrzeigersinn (Südende > Osten)

Als Korrekturstern nehme ich den, an dem ich eben die Drift gemessen hatte.
Die Skala des Messokulars muss jetzt in Ost-West-Richtung (RA) orientiert sein.
Am besten vergewissert man sich erstmal, wie man an den Einstellschrauben drehen muss, damit in die gewünschte Richtung verstellt wird; dabei schaut man gleich, in welche Richtung der Stern dabei jeweils im Okular wandert.
Dann stellt man den Stern auf eine passende Stelle der Skala und verstellt den Montierungskopf, bis der Stern um die errechnete Anzahl von Einheiten in die richtige Richtung gewandert ist.
Auch bei relativ teuren Montierungen schlägt der Stern eventuell erstmal in DE aus, wenn man die Klemmungen oder Fixierschrauben der Azimut-Verstellung nur löst. Das ist halt Mechanik...
Bei diesem Schritt muss ich auch mal um Beträge verstellen, die grösser sind als die Länge der Skala im MicroGuide- Okular, also in zwei Schüben.

Beim Wiederfestziehen der Klemm- oder Fixierschrauben beobachte ich, ob der Stern wieder in die ursprüngliche Position (DE-mässig) zurückgeht.

Nun ist eigentlich alles eingestellt. Oder doch nicht? Habe ich etwa irgendwann die Richtungen verwechselt?
Also kommt am besten als letzter Punkt:

5. Plausibilitätsprüfung:

Wie bei der konventionellen Scheinermethode lasse ich einen Stern am Meridian und einen im Osten eine kurze Weile laufen.
Eigentlich geht es bei diesem letzten Test nur darum, eventuelle Irrtümer (Richtungsvertauschungen) aufzudecken, die machen sich schon sehr schnell bemerkbar.

6. Nachbemerkung

Es spricht sicher nichts dagegen, wie oben angedeutet zur Korrektur der Polhöhe gleich den Stern zu nehmen, den man im zweiten Schritt für die Einstellung des Azimut nutzen wird. Das vereinfacht das Verfahren noch einmal.

Man sollte sich vielleicht eine kurze Zusammenfassung dieser Anleitung mit den wichtigsten Schritten anfertigen und mit ins Feld nehmen; dabei merkt man gleich, ob man alles verstanden hat ;-)

Die erste Berechnung (Höhe) kann man getrost im Kopf machen und statt 22,86 einfach "etwas weniger als 23" nehmen... die Genauigkeit wird eh begrenzt durch die notwendige Schätzerei auf der Okularskala (sind es 1,3 Einheiten oder etwa 1,33?) und durch die begrenzte Genauigkeit der Verstellmechaniken, die man spätestens beim Blick ins Okular während der Verstellung deutlich serviert bekommt...

Für die zweite Formel macht man sich eine Tabelle, die für verschiedene Werte von delta (DE Korrekturstern) jeweils Lösungen der Gleichung für unterschiedliche Driften enthält. Nimmt man das vereinfachte Verfahren mit einem Stern passender Deklination (14 Grad in meinem Fall), könnte man aber auch ohne Tabelle auskommen.

Wer meinen Vereinfachungen misstraut und ganz genau rechnen will, findet eine Excel-Tabelle mit Erläuterungen von Ernst von Voigt unter
http://www.ernst-von-voigt.de/articles/scheiner.html


Zu meinen Astrofotos (ein grosser Teil der aus der Film-Zeit wurden unter Anwendung der geschilderten Einnordungsmethode gemacht) geht es hier.
 
 
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